21. Februar: Spärliche Lebenszeichen

Knapp über 10 Grad: Zuhause ist an den Beuten reger Flugbetrieb zu beobachten. Hier im Wald herrschte dagegen Ruhe. Nur vereinzelt ist eine Biene zu sehen. Diese Unterschiede sind normal, weil die Temperaturen sich im Wald und in der Baumhöhle mit extrem dicken Wänden langsamer anpassen. 

Zu diesem Zeitpunkt (Feb. 21) kein schönes Bild. Aber es gehört zur Wahrheit dazu. Die Wände sind feucht, das Klima wirkt ungemütlich, am Boden liegt eine große Zahl toter Bienen. Unter den Waben hängen Spinnennester, in denen sich tote Bienen und Wachskrümel verfangen haben. 

Ein Blick nach oben: Die Bienen sind nicht zu sehen, weil sie sich ganz nach oben in die letzte Ecke verzogen haben. Aber sie sind zu hören, allerdings nur schwach. Nach meinem Eindruck ist dieses Volk noch nicht tot, aber vermutlich abgängig.  

Draußen am Flugloch hat der Specht angeklopft. An der rechten Seite  des Fluglochkeils hat er seine Spuren hinterlassen. 



12. April: Keine Lebenszeichen mehr


Im zunächst warmen Februar konnte von uns ein vergleichsweiser schwacher Bienenflug beobachtet werden. Nach dem folgenden und über Monate anhaltenden ungewöhnlichen Kälteeinbruch war ab April keine Lebenszeichen mehr erkennbar. Das abgängige Volk hat diese schwierige Zeit der Durchlenzung nicht geschafft. Zeitgleich zieht neues Leben ein. Neben vielen Asseln und ein Paar Maden von Wachsmotten finde ich hier oben in 5 Metern Höhe eine dicke Nacktschnecke und einen Regenwurm. 

Unsere Analyse

Anfang Mai treffen wir die Entscheidung, das Nest auszuräumen. Die Analyse des Wabenwerks als „Fußabdruck der Geschehnisse“ soll verborgene Erkenntnisse hervorbringen. Das Ziel ist, Ursachen, die zum Tode geführt haben aufzuspüren oder auszuschließen. 

 

Wir sehen das Wabenwerk von beiden Seiten:

Das Wabenwerk in Zahlen

  • Es wurden sieben größere Waben mehrfach bebrütet, eine kleinere Randwabe blieb ohne Brut.
  • Die 3 größten Zentrumswaben hatten je eine Länge von 40 cm und eine Breite von 25 cm bei einer Fläche von 2.000 cm2 beidseitig (entspricht einer Dadantbrutwabe als Hochwabe).
  • Die Gesamtwabenfläche des Brutnestes, das seine maximale Ausdehnung wahrscheinlich mit Ende der Lindentracht Anfang Juli erreicht hatte, betrug beidseitig 12.400 cm2.
  • Rechnerisch ermitteln wir daraus rund 50.000 Arbeiterinnen- und 1.000 Dröhnenderen bei einem Volumenbedarf von 22 Liter. Dies entspricht rund 6 Dadanträhmchen bzw. einem fast ausgebauten Lüneburger Stülper (25 Liter).
  • Der Anteil des Arbeiterinnenbaus war mit 98,4% ungewöhnlich groß (gegenüber ca. 1,6% Drohnenbau).
  • Das Gesamtvolumen dieser künstlich ausgebauten Höhle (40 Liter) in einem lebendigen Buchenstamm war zu 2/3 mit diesem Wabenwerk ausgefüllt (im Jahr zuvor, war diese Höhle von einem Vorgängervolk zu 100% ausgebaut worden).
  • Das Wabenwerk bot für das einzulagernde Winterfutter reichend Platz. 
  • Die Volksstärke im Zusammenhang mit der Sommer- und Lindentracht und der sehr guten Isolierung unserer Beute lassen vermuten, dass der Eintrag für die Überwinterung ausgereicht haben. Der rechneische Überwinterungsfutterbedarf eines wildlebenden Volkes in einer gut isolierten Baumhöhle liegt deutlich unter 10 kg. Wir gehen davon aus, dass diese Menge bis zum Spätsommer 2020 von unserem Volk eingelagert werden konnte (Ausgehend von der Volksstärke und der guten Sommer-/ Lindentracht 2020). 

Was haben wir vorgefunden?

  • Ein schwach verkotetes Brutnest im oberen Nestbereich. Wir interpretieren das als Stresssymptomatik eines abgängigen Volkes. 
  • Geringe Pollenvorräte (< 300 cm2) in Randbereichen. Es lag demnach kein Pollenmangel vor.
  • Die geringen Futterreste (< 100g) führten vermutlich schon vor Wochen zu einer Futterdepression. 
  • Einige verhungerte, kopfüber in Zellen steckende Bienen (ca. 1.000 Bienen).
  • Totenfall am Boden der Höhle (ca. 400 Bienen). Diese Bienen steckten mehrheitlich den Rüssel raus, eine Vermilbung war nicht mehr festzustellen.
  • Wenige stehen gebliebene Arbeiterinnenbrutzellen in einem Randbereich des Nestes (max. 30 verd. Zellen), wahrscheinlich verkühlt.
  • 2 verdeckelte Königinnenzellen im Bereich der nicht-geschlüpften Brutzellen. Sie werden vom Aussehen als Nachschaffungszellen interpretiert (Bild rechts). Diese Kernproblematik haben wir schon beim Vorgängervolk nach dem Absterben vorgefunden. Angesichts der offensichtlich leistungsfähigen Königin, ein Zufall oder Auslöser des Grundproblems?

 

Keine Anzeichen für

  • ein vorab ausgeräubertes Wabenwerk
  • ein besonderes Milbenproblem. Dafür fehlen die klaren Indizien (kaum abgestorbene Brut, diese war zudem nicht vermilbt).

Interpretation des Milbenfalls aus 2020

Wir beziehen uns auf die Tabelle aus 2020. Der Milbenfall wirft folgende Fragen auf:

  • Waren die Oxalsäurebehandlung wirkungslos, oder schlimmstenfalls sogar zusätzlich mit schädlichen Nebenwirkungen verbunden? Hintergrund war, dass der nat. Milbenfall Mitte Oktober bei 2x1,4 Milben/ Tag lag, und das bei vermeidlicher Brutfreiheit. Ein extremer und bedenklich hoher Wert angesichts der relativ kleinen Volksstärke. Er veranlasste uns, das Volk mehrmals in gewissen Abständen zu Behandeln. 

Offene Fragen:

  • Das Höhleninnere, der künstlich und frisch erstellten Höhle einer lebenden Buche blieb auch im Sommer extrem feucht. Es bildete sich insbesondere während der Vegetationszeit Schimmel. An den Wänden bildete sich Kondensationswasser. Eigentlich kein Wunder, denn der von den Bienen eingetragene Nektar muss von 80 auf 20% herunter getrocknet werden. Dieses Wasser muss irgendwo bleiben. Die kältere Innenwand aus frischem Buchenholz hat in diesem frischen Zustand nicht die Wasseraufnahmekapazität. Es bildet sich Kondenswasser in beachtlichen Mengen. Wir finden in 5 Metern Höhe feuchtigkeitsliebende Tiere wie Regenwürmer und Nacktschnecken, aber auch Schimmel und anderes Getier. 
    Gibt also es ein grundsätzliches Hygiene- bzw. Feuchtigkeitsproblem? Braucht die Höhle nach der Aushöhlung einfach noch Zeit, um auszutrocknen und einwenig zu vermodern?  Entsteht erst nach einer gewissen Zeit ein vermodertes Holz mit deutlich besserer Saugkraft? Haben wir also erst nach 4 oder noch mehr Jahren das richtige Klima und die geeignete Baumhöhle?  
  • Warum nahm die Volksstärke des ersten einlogierten Schwarms, und auch die des letzten Schwarms zum Herbstende drastisch ab? Als Ursachen kommen Vermilbung oder/ und eine toxische Varroabehandlung in Betracht.
  • Könnte die Oxalsäurebehandlung in dieser Anwendungsform toxisch wirken? Könnte es sein, dass der Rauch, der erst durch einen 6-Meter langen Schlauch hoch in die Baumhöhle geleitet werden muss, sich auf diesem Weg verändert, z.B. weil er sich abkühlt?
  • Oder hat eine wiederholende Oxalsäurebehandlung im August negative Wirkungen auf das Volk bzw. auf die Königin? Inzwischen raten wir von dieser Form der Oxalsäuereverdampfung an Winterbienen ab.  
  • Warum versuchten beide Völker in ihrer letzten Phase umzuweiseln? Stille Umweiselungen gehören zum Leben eines Bienenvolkes und verlaufen i.d.R. unkompliziert. Auch hier ist eine Fremdeinwirkung eher wahrscheinlich, beispielweise eine Schädigung der vorhandenen Königin durch toxische Varroabehandlung?
  • Der sichtliche Futtermangel hat sicher in diesem Extremfrühjahr zusätzlich Probleme gemacht. Unter Stress stehende Völker haben jedoch auch einen höheren Futterverbrauch (Teufelskreis). Als alleinige Ursache für ein Absterben kommt er jedoch nicht in Frage (siehe Umweiselungszellen). 

Fazit

  • Baumhöhlen in Buchen eignen sich grundsätzlich gut als Bienenbehausung. Das beweisen die wildlebenden Bienenvölker, die es z.B. in Spechthöhlen der Buche gab und auch heute noch vereinzelt gibt. Es gibt aber Unterschiede:  Zum einen sucht sich der Specht keine frischen Buchenstämme. Er bevorzugt Stämme, die im Inneren etwas hohl klingen und etwas vermodert sind. Zum anderen werden i.d.R. diese Buchenstämme nicht in frischem Zustand von den Bienen besiedelt. Schauen wir uns solche besiedelten Höhlen an, dann sind diese Höhlen älter, also vom Specht aufgegeben oder durch andere Einflüsse über einen langen Zeitraum entstanden. Es scheint, als bräuchten solche Höhlen in Buchen ihre Zeit, als müsste das Holz erst vermodern, um eine bessere Saugfähigkeit zu bekommen und zu einer geeigneten Bienenhöhle zu werden. 

Bild: Die Bienenhöhle bleibt in diesem Jahr leer. Nach diesem Frühjahr erscheint sie feucht und ungemütlich. Der Fluglochkeil wurde entfernt, um das Flugloch deutlich zu vergrößern. Jetzt wird die Höhle besser durchlüftet und stellt auch für Vögel und andere Höhlenbewohner ein interessantes Quartier da. 

  • Inzwischen raten wir von einer Oxalsäurebehandlung ab, bei dem der Dampf erst durch einen sechs Meter langen Schlauch geleitet werden muss. 
  • Wir achten in Zukunft beim Einlogieren von Naturschwärmen verstärkt auf Qualität und Alter der Königin. Die Qualität der Königin hat natürlich immer einen positiven Einfluss, der aber ohne die imkerliche Betreuung über das Überleben entscheiden könnte. Wir empfehlen jüngere Königinnen, die nicht in Nachschaffungszellen entstanden sind.

Bild vom 14.6.21: Die Baumhöhle ist seit April frei von Bienen. Sie sieht inzwischen deutlich trockener aus. Die vertrockneten Buchenblätter am Grund der Höhle deuten darauf hin, dass sich hier jemand einzurichten scheint. 

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