Der erste Besuch an einem der ersten warmen Tag (ab 10°C) im neuen Jahr ist immer spannend: Haben die Bienen den Winter überlebt? Fliegen sie und bringen Pollen* heim?
*Pollenhöschen werden schon sehr früh im Jahr, z. B. vom Haselstrauch, eingeholt. Sie sind ein sicheres Unterscheidungsmerkmal zu räubernden Bienen, die in diesen trachtlosen Zeiten oft auf Beutezug sind. Ein sicheres Merkmal für Räuberei ist zudem ein schmutzig verklebter Fluglochbereich: Räuber putzen sich vor dem Eintritt in ein fremdes Haus nicht die Füße.
Ja sie fliegen, zwar spärlich aber eindeutig. Zu vernehmen ist ein gleichmäßiges Gebrumme. Auf Klopfzeichen reagieren sie kurz und eindeutig . Der Höhlenboden und das Klima wirken trocken. Nur wenige tote Bienen liegen am Boden, ein normaler Totenfall im Verlauf eines Winters. Ich finde am Boden ca. 20 Milben. Der letzte Kontrollbesuch ist etwa zwei Monate her. Ist dieser Milbenfall besorgniserregend? Je nach Volksstärke können 20 Milben im Boden schon grenzwertig sein: 20 Milben in 56 Tage = 0,4 Milben/Tag durchschnittlicher natürlicher Milbenfall. Der Grenzwert in dieser Zeit liegt bei 0,5!
Aber, wie stark ist das Volk? Wie groß sind die Futtervorräte? Diese Fragen lassen sich an dieser Baumhöhle nur schwer beantworten. Das Volk sitzt weit oben im Baumstamm und ist nur zu hören, aber nicht zu sehen. Die Position der Wintertraube, leere ehemalige Futterrandwaben (soweit es mein sehr begrenzter Einblick erlaubt) und mein Bauchgefühl sagen mir: Die Honigvorräte könnten knapp werden. Ich sorge mich. Ich stelle ein kleines Döschen (Fischermansbox) mit 200g Honig auf den Boden der Höhle. Es bleibt spannend! Aber, wie stark ist das Volk? Wie groß sind die Futtervorräte? Diese Fragen lassen sich an dieser Baumhöhle nur schwer beantworten. Denn das Volk sitzt ziemlich weit oben im Baumstamm und ist deshalb nicht zu sehen sondern nur zu hören. Mein Bauchgefühl sagt mir aber: Die Honigvorräte könnten knapp werden. Ich stelle ein kleines Döschen (Fischermansbox) mit 200g Honig in die Höhle. Es bleibt also spannend.
4 Tage später:
Die Fischersmansbox ist leer gefressen. Zurückgeblieben sind 5 tote Milben. Ich fülle die Box erneut mit Honig auf.
Das ging schneller als befürchtet. Das Volk ist verhungert. Der Höhlenboden ist dicht mit Bienen bedeckt. Alle haben ihren Rüssel ausgefahren (Bild links und rechts). In den Waben ein typisches Bild: Viele Bienen stecken kopfüber in den Zellen (Bild Mitte).
Spekulationen helfen hier nicht weiter, das Forschen nach Ursachen gibt uns wichtige Hinweise… zum Leben und Tod … zu den Ursachen, die zum Tod geführt haben könnten. Zu diesem Zweck räumen wir alle Bienenwaben aus. Gezählt wurden ca. 5000 tote Bienen. Der Milbenbesatz war gering. Nur nach langem Suchen entdeckte ich eine (siehe Bild rechts).
Die Bruchstücke des vollständigen Bienennestes sind auf dem obigen Foto zusammengefasst: Wir sehen beidseitig ca. 0,80 m2 Wabenfläche mit Arbeiterinnenbau und einem sehr geringen Anteil Drohnenbau. Es war weder Honig, Pollen oder Brut zu finden.
Das Innere der Baumhöhle vor dem Einzug der Bienen: Die Oberfläche des Inneren ist staubig und unwegsam. Lockere Holzreste und kleinste morsche Holzstückchen hängen herunter.
Der selbe Blickwinkel ca. ein Jahr später: Nachdem die Bienen hier fast ein Jahr gehaust haben, hat sich das Innere deutlich verändert. Ähnlich wie auf dem Bild links, sieht man am unteren Rad die zwei Fluglöcher. Links oberhalb davon hat sich Schimmel gebildet. Ansonsten ist sie frei davon. Das gesamte Innere ist gesäubert, Ritzen und Fugen sind mit Propolis mal mehr, mal weniger verschmiert worden. Die Bauweise war chaotisch. Es dominierte der Kaltbau.
Der (wieder einmal) viel zu große, einlogierte Bienenschwarm (Mitte Mai 2020, 2,9 kg) hatte seine kleine Höhle zügig in 9 Tagen mit Wabenwerk ausgebaut. Das wissen wir aus dem Vorjahr. Aber was passierte danach? Warum sind sie schon so frühzeitig im Frühjahr 21 verhungert? Hilfreiche Aufschlüsse darüber versuchen wir aus den nun freigelegten Waben abzuleiten:
Die beidseitige Wabenfläche entsprach knapp 40.000 Arbeiterinnenzellen, bei sehr geringem Drohnenbauanteil. In einer Magazinbeute entspräche das einem genutzen Höhlenvolumen von nur 14 Liter.
40.000 Zellen hat eine durchschnittliche Königin in 20 Tagen durchgebrütet. Berücksichtigen wir die zusätzlich eingetragenen Honigvorräte von geschätzten 3 kg, die ca. 10.000 Zellen blockieren (am 19. Mai war das große Blühen bereits vorbei, es gab nur noch Läppertracht), so muss die Königin schon deutlich früher das gesamte Brutnest belegt haben. Das zwangsläufig nachfolgende „Aus-der-Brut-Gehen“ leitet – vor allem auch bedingt durch die großen Bienenmasse – Schwarmstimmung ein. Sehr wahrscheinlich schwärmt die Königin ein zweites Mal in diesem Jahr ab. Das war vermutlich mit Beginn der Lindentracht, nur 4 Wochen nach ihrem Einzug. Phänologisch ein ungünstiger Zeitpunkt: Das verbleibende Volk verliert mit dem zweiten Schwarm viele Flugbienen und kann die bis die Anfang Juli dauernde Lindentracht nur unzureichend nutzen. Dieser wichtige Vorratsaufbau fehlt für die Überwinterung und könnte für das Verhungern Ende März verantwortlich sein. Dabei spielen natürlich auch die in diesem Frühjahr sehr ungünstigen Witterungsverhältnisse eine große Rolle: Bei milderem Temperaturverlauf (Frühjahr 2020) hätte es das Volk eher aus eigener Kraft schaffen können. Das Wetter nimmt aber bekanntlich keine Rücksicht und stellt das Leben manchmal auf eine harte Probe.
Wir rekonstruieren den Verlauf weiter: Nach dem 2. Schwärmen startete nach rund 3 Wochen die junge Königin mit ihrer Eilage und baute ein neues Volk auf. Die geringe Futterkappe ermöglichte es ihr, ein ausgedehntes Brutnest bis an die Höhlendecke anzulegen: Am Wabenbau ist abzulesen, dass er fast vollständig mehrfach bebrütet wurde, bis hoch zum Ansatz der Waben. Dieser Volksaufbau fiel wahrscheinlich mit Ende der Lindentracht Anfang Juli in eine trachtlose Zeit. Das Sammeln eines Wintervorrats von mindestens 5 bis 8 kg war scheinbar so spät im Jahr 2020 nicht mehr möglich. Und so verhungerte das Volk im März 2021.
Die genaue Untersuchung der verendeten Bienen lies keine Rückschlüsse auf eine extreme Varroaparasitierung zu (nur nach langem Suchen war eine Milben unter den toten Bienen zu finden). Die Bienenenge ist mit rund 500 g (zumindest in künstlichen Beuten) allerdings grenzwertig für die Erhaltung des winterlichen Wärmehaushaltes.
Wie wir aus dem Wabenwerk glauben ableiten zu können, ist das Hutewald-Volk im Herbst aus der Brut gegangen. Die geringe Volkstärke, verbunden mit grenzwertigen Futtervorräten haben vermutlich den natürlichen Bruteinschlag im zeitigen Frühjahr verhindert: In keiner Zelle des ausgeräumten Wabenwerks sind Reste eines unterkühlten Brutnestes zu finden. Selbst einzelne, „stehengebliebene“ Brutzellen, wie es für eine hohe Varroaparasitierung typisch gewesen wäre, sind nicht auffindbar. Wir schließen deshalb die Varroamilbe definitiv als Todesursache aus. Auch Probleme mit der Königin, wie Weisellosigkeit, sind aufgrund fehlender Nachschaffung-/ Umweiselungszellen wenig wahrscheinlich.
Das Wetter im Mai ist in diesem Jahr einen Hinweis wert, nicht nur, weil er für die Entwicklung der Honigbienen von überdurchschnittlicher Bedeutung ist. Sondern auch, weil er entgegen dem allgemeinen Trend (Klimawandel) zu kalt war. Das "Aprilwetter" wollte auch im Mai nicht aufhören. Am Ende brachte er es auf eine durchschnittliche Temperatur von +10,7 Grad, also gegenüber dem Mittelwert von 1991 und 2020 um -2,4 Grad deutlich zu kalt. Neben 2010 (+10,4 Grad) und 1991 (+9,5 Grad) war 2021 der dritte zu kalte Maimonat in den letzten 30 Jahren.
Unseren ursprünglichen Plan, einen Ableger eines weniger friedfertigen und wilder erscheinenden Volkes aus einer Klotzbeute Mitten aus dem kleinen Deisters für den Hutewald zu nutzen, mußten wir wegen des kalten Wetters leider aufgeben. Bei der Klärung der Frage über den Einfluß die Genetik auf das Überleben eines unbehandelten Bienenvolkes, sind wir deshalb keinen Schritt weiter gekommen.
Wir logieren nun zum dritten Mal in drei Jahren ein Volk ein, und das am selben Standort. Wie in den Vorjahren nutzen wir dafür einen natürlichen Vorschwarm von Karen Lau mit 1,9 kg. Die Genetik bleibt damit grundsätzlich die selbe. Der Einzug war, wie im Protokoll notiert, normal.
Am 19. Mai, also ca. eine Woche nach dem Einzug, schreibe ich ins Tagebuch: "Haben ca. 40 cm bis zum Flugloch gebaut (Bild links). Es liegen viele Wachsplättchen am Boden. In der Höhle ist schöne Netzwerke zu beobachten."
Das Frühjahr beginnt aber relativ kalt (Mitte Mai hat es zw. 13-15 Grad). Trotzdem würde ich die Bedingungen nicht als schlecht ansehen. Denn der Raps, 1,3 km entfernt, steht wegen des zu kalten Mais noch in voller Blühte. Hier im Wald erscheint mir das Angebot weniger üppig.
Wir haben Juni. Das Volk entwickelt sich gut. Der Wabenausbau hat große Fortschritte gemacht. Die Waben reichen nach einem Monat bis zum Höhlenboden (70 cm). Sie sind unten gut mit Nektar gefüllt. Unten in der Höhle dominiert der Drohnenbau.
Am 16. Juni lege ich die Windel ein (Bild links vom 16.6.). Die Windel deckt ca. 1/3 des Höhlenbodens ab. Nach 9 Tagen, am 25.6., zähle ich 4 Milben (0,5 M/Tag) (Bild unten).
Am 13. Juli, also nur 18 Tage später, steigt die Milbenzahl auf 200 Milben in 18 Tagen (10 M/Tag). Gleichzeitig macht das Bienenvolk einen deutlich schwächeren Eindruck: weniger Flugbetrieb, wenig Bienen, weniger Betrieb im Bau. Meine Hoffnung schwindet an diesem Tag deutlich.
Dieser negative Trend beschleunigt sich im Herbst. Am 7. September sind kaum noch Bienen im Nest zu sehen. Die Wabengänge sind leer. Nur ein gleichmäßiges Brummen ist zu hören. Auf Klopfzeichen reagieren die Bienen nicht. Sie brummen weiter gleichmäßig vor sich hin. Sind sie weisellos? Der Höhlenboden ist sauber. Dort liegen weder tote Bienen, noch Milben. Ich habe keine Hoffnung mehr, dass dieses Volk überleben wird.
Am 9. Dezember finde ich am Höhlenboden ca. 300 tote Bienen und eine tote Wespe. Ein Brummen ist nicht zu hören. Wieviel tote Bienen oben in den Waben stecken, weiß ich nicht. Das Volk ist tot.